Erste Hilfe im Sport

Keine Vorgaben für Erste Hilfe im Sport

– Defibrillator im Vereinsheim  der  SG Sandbach

Nur mit Glück überlebten Fußballspieler in Idar-Oberstein und Messel kritische Sportunfälle. Eine Umfrage zeigt: im Ernstfall verfügt nicht jeder Sportverein auch über Ersthelfer.

Von Oliver Strerath und Eric Hartmann – Bericht aus dem  Odenwälder Echo am 18.02.2022 –  

Nur an den wenigsten Sportplätzen sind Sanitäter zu finden, die im Ernstfall Erste Hilfe leisten könnten. 

(Foto: Egor-stock.adobe)

SÜDHESSEN – Björn Beck wusste, er muss sofort handeln. Denn es hätte böse enden können. „Der Spieler hat schon gekrampft, bekam seinen Kiefer nicht mehr auf. Er hatte Blut im Rachen. Da war keine Zeit zu verlieren“, sagt der Fußball-Abteilungsleiter der TSG Messel. Zum Glück brachte er die Erfahrung mit, wie in so einer Situation, einer medizinischen Notlage, in der eine Erstversorgung erforderlich ist, zu reagieren ist. Das tun wiederum viele nicht. Dabei kann es jeden Tag zu solch einer Szene auf einem Sportplatz wie im vergangenen Oktober kommen.

Nach einem einem Zusammenprall war ein Messler Spieler in der Partie bei der Spvgg. Seeheim-Jugenheim zusammengebrochen. Jüngst gab es bei einer Begegnung des SC Idar-Oberstein einen ähnlichen Vorfall, bei dem das sofortige Eingreifen zur Lebensrettung erforderlich war. Auch dieser Fußballer hatte seine Zunge verschluckt – es ging gut aus. Doch es war auch ein weiterer Vorfall, nachdem die Frage gestellt werden muss, wird es das immer? Ist stets jemand vor Ort, der Hilfe leisten kann?

„Dann wird viel gesprochen, aber wenig gehandelt“

Entsprechend gibt es nach solchen Fällen verstärkt Rufe danach, Menschen in Vereinen besser auf Notfälle vorbereiten zu müssen. Um handeln zu können. Schnell. Und vor allem richtig. Denn nicht jeder wird das Glück haben, Ersthelfer wie Björn Beck in der Nähe zu haben. Der TSG-Abteilungsleiter regt daher an, regelmäßig Kurse zur medizinischen Erstversorgung anzubieten.

Kreisoberliga: Gute Nachrichten nach dem Schock

„Es gibt keine Vorgaben diesbezüglich. Angebote wären daher ganz wichtig, Schulungen, um Kenntnis über die Grundlagen zu erhalten. Und je häufiger, desto besser“, sagt der Messeler, der Ersthelfer ist und regelmäßig über seinen Arbeitgeber geschult wird. Sein Wissen gibt er an seinen Verein weiter und forciert die Thematik bei der TSG. So schaffte der Verein im vergangenen November einen Defibrillator an – Kosten rund 1800 Euro. Die Messeler finanzierten das Gerät zur Lebensrettung mithilfe von ortsansässigen Banken, der Hersteller bot zudem einen Kurs zur Handhabung an.

Bei der TSG Messel wird das Thema sehr ernst genommen, es folgen Taten. Das wünscht sich Michael Sobota (Ober-Ramstadt) freilich bei noch viel mehr Vereinen. „Das ist eine ganz wichtige Geschichte. Es gibt immer wieder solche Fälle. Dann wird viel gesprochen, aber wenig gehandelt. Das müssen wir ändern“, sagt der Darmstädter Kreisfußballwart, der sich daher auch mehr Unterstützung vom Hessischen Fußball-Verband (HFV) wünschen würde.

Unabhängig davon hat Sobota längst die Idee, eigene Initiativen zu ergreifen und im Kreis solche Angebote zu machen. In der Hoffnung, Interessierte und letztlich dann Ersthelfer zu finden. Wohlwissend, dass sich die Suche für das Ehrenamt schon schwierig genug gestalte. Das Ziel ist jedoch ein hehres: Leben retten zu können.

Erste Hilfe nicht im Regelwerk verankert

Beim HFV ist man sich der Problematik bewusst. Wirklich viel unternimmt der Verband allerdings nicht. Es gab im vergangenen Jahr eine Abendveranstaltung mit Erste-Hilfe-Schulungen bei Sportverletzungen (diese Veranstaltung soll wiederholt werden) und Workshops beim HFV-Gesundheitstag. Es gab Schulungen zum Umgang mit Defibrillatoren und die Idee, das Angebot flächendeckend zu installieren. Und es gibt die Verpflichtung für angehende Trainer der C- und B-Lizenz einen Nachweis über einen Erste-Hilfe-Kurs vorzulegen. Damit hat es sich. Verankert ist die Erste Hilfe im Regelwerk jedenfalls nicht direkt. In Paragraph 56 Absatz 2k heißt es lediglich: „Außerdem ist der Platzverein verpflichtet, in jedem Spiel einen Helfer zur Erstversorgung von Verletzungen zu stellen.“ Ein sehr dehnbarer Passus.

Bei den Spielen des Frauenhandball-Landesligisten FSG Odenwald ist immer ein Ersthelfer vor Ort, der Physiotherapeut. „Da sind wir sehr glücklich drüber, wissen aber auch, dass das gewiss keine Normalität ist“, sagt Trainer Günter Hanst. In vielen Hallen habe er bislang keine Sanitäter wahrgenommen, in Einzelfällen weitere Physios bei den Gegnern. Ein Defibrillator sei ebenfalls installiert in der Halle, in der die FSG den Großteil ihrer Heimspiele austrägt. Für Notfälle sei man also gewappnet.

Kein greifendes, einheitliches Konzept

Deutlich kritischer sieht Tobias Hastert (ab Sommer Trainer beim Fußball-A-Ligisten TSV Günterfürst) die Situation in den unteren Amateurligen. Dort gebe es in den seltensten Fällen ausgebildetes Personal, in brenzligen Situationen sehe er schwarz. „Ich finde, das gehört einfach dazu, dass an jedem Sportplatz mindestens ein, zwei ausgebildete Personen stehen, die dann auch eingreifen können.“ Letztlich dürfe es ja keine Glückssache sein, ob Menschenleben gerettet werden können.

„Dieses Thema spielt auch bei der Ausbildung eines Trainers nur eine sehr untergeordnete Rolle“, sagt Hastert, der eine Trainer-A-Lizenz besitzt. Lediglich in einem Bewerbungsschreiben für einen Lehrgang habe er mal einen Erste-Hilfe-Schein vorlegen müssen. Deutlich koordinierter lief es unterdessen in seiner Station als Co-Trainer bei der C-Jugend des Bundesligisten TSG Hoffenheim. Dort seien regelmäßig Physios bei den Spielen dabei gewesen, zudem wurden vereinsintern immer Erste-Hilfe-Kurse angeboten. „Das war keine Pflicht, es wurde aber sehr gerne gesehen, deshalb hat man es einfach gemacht“, sagt Hastert.

Horst Feidner, Groß-Gerauer Kreisfußballwart, hat selbst als Jugendtrainer des FC Germania Leeheim eine lebensgefährliche Situation erlebt. „Das war 1997 bei einem A-Jugend-Spiel in Leeheim, da kam es auf unserem Hartplatz zu einem Zusammenstoß zwischen Stürmer und Torwart. Der Torwart ist mit dem Kopf zuerst auf dem Platz aufgeschlagen und war bewusstlos, die Zunge fiel in den Hals rein“, erinnert sich der 55-Jährige. Bevor der alarmierte Notarzt eintraf, „hat es ein Spieler, der eine kleine Hand hatte, zum Glück geschafft, die Zunge aus dem Hals zu holen.“

Nach Ansicht Feidners sind vor allem die Trainer und Teamoffziellen der Clubs gefordert, eine Erste-Hilfe-Ausbildung zu bekommen und diese regelmäßig aufzufrischen. Während der Trainerausbildung werde auf Angebote von Organisationen wie DRK und Johanniter zurückgegriffen. „Wir schicken die Leute direkt dorthin, weil der Ausbildungsstand in den Lehrgängen sehr unterschiedlich ist. Manche haben seit dem Führerscheinerwerb nichts mehr gemacht, andere sind Ersthelfer im Betrieb.“ Die Erste-Hilfe-Versorgung sei aber kein Punkt, „der uns große Sorgen bereitet“. Schwere Vorfälle seien höchst selten, „und ich denke, dass immer mindestens Einer auf dem Platz ist, der helfen kann.“ Zumal bei höherklassigen Clubs oft ausgebildete Physiotherapeuten auf der Bank säßen, „die wissen, was zu tun ist“.

Veranstalter muss medizinische Versorgung organisieren

Die Fußballer und Handballer stehen gewiss nicht allein mit diesem Problem. Der Landessportbund Hessen (LSBH) fordert zwar auch einen Erste-Hilfe-Kurs (nicht älter als zwei Jahre) als Voraussetzung zur Teilnahme an Übungsleiter-Ausbildungen. Der LSBH erklärt auf Anfrage aber: „Für die medizinische Versorgung während Sportveranstaltungen ist ausschließlich der Veranstalter verantwortlich. Wir als Landessportbund geben unseren Verbänden daher keine Richtlinien mit Rechtsverbindlichkeit an die Hand.“ Es ließe sich mit Blick auf die unterschiedlichen Gefährdungslagen in den unterschiedlichen Sportarten kein greifendes Konzept erstellen.

Immerhin hat die Dachorganisation im Internet unter seiner Rubrik Vereinsberater Hinweise und Tipps zur medizinischen Erst- und Notfallversorgung veröffentlicht. Es sind logistische Hinweise. Etwa, dass idealerweise mindestens ein Notarzt und – je nach Größe der Veranstaltung – eine angemessene Zahl an Sanitätern und Ersthelfern anwesend sein sollten.

Bei der Ersten Hilfe im Sport hilft sich aktuell offensichtlich jeder fast nur selbst. Um das richtig zu können, ist es höchste Zeit daher, dass die Vereine bei der Ausbildung von Ersthelfern Hilfe bekommen.

HIER   EIN   KOMMENTAR  DER  SG SANDBACH  VON HOLGER BESLER  IN  EIGENER  SACHE:

Defibrillator im Vereinsheim  der  SG Sandbach

Die SG Sandbach hat im Mai 2021 einen Defibrillator gekauft und im Vereinsheim im Vorraum zu den Umkleidekabinen stationiert:

Anlass ist die Erkenntnis der Mediziner, dass bei 85 Prozent aller plötzlichen Herztode anfangs ein Kammerflimmern vorliegt. Ein Defibrillator (auch Defi genannt) kann durch gezielte Stromstöße Herzrhythmusstörungen wie z.B. Kammerflimmern beenden. Unser Defi ist ein automatisierter externer Defibrillator (AED) und ist für Anwendungen durch Laien sehr gut geeignet. Ein AED verbessert im Fall der Fälle die Chancen einer erfolgreichen Herz-Lungen-Wiederbelebung. 

Sollte ein Sportler, ein Besucher oder auch ein Kind auf unserem Sportgelände zusammenbrechen, gilt es möglichst schnell den Defibrillator aus der Wandbox zu holen und parallel dazu die 112 zu informieren. Die Wandbox wird auf der linken Seite durch Ziehen geöffnet und der AED kann herausgenommen werden. Dabei ertönt durch die Wandbox ein Warnsignal und die Leuchte blinkt; bitte nicht erschrecken!

Den AED möglichst schnell zum Verunglückten tragen und so früh als möglich durch einen oder zwei weitere Helfer mit der Herzdruckmassage beginnen, die beiden Pads aus dem AED herausziehen und entsprechend der akustischen Anleitung durch das Gerät Erste Hilfe leisten.

Eine Einweisung zu unserem Gerät gibt es hier als Schulungsvideo:

https://youtu.be/-S8vCZctOvo

Auch Kinder können behandelt werden: Dazu können die zwei beiliegenden kleineren Pads genommen werden und je ein Pad auf Brust und Rücken gedrückt werden.

Bereits beim letzten Erste Hilfe-Seminar der SG Sandbach durch das DRK wurde der Einsatz eines automatisierten externen Defibrillators (AED) geübt, um die Reanimation bei lebensgefährlichen Herzrhythmusstörungen durchführen zu können. 

Sobald die Corona-Situation es erlaubt, wird der Kurs wiederholt. Auf Wunsch der Trainer der SG Sandbach soll neben Reanimiation und Defibrillation die Erste Hilfe bei Kindern einer der Schwerpunkte sein.